Bodenschneidkreuz
Dem Heimat- und Volkstracht-Erhaltungsverein Miesbach
gehört das Bodenschneidkreuz.
Das Kreuz von 1881
Am 21. Juni 1876 wird in Miesbach die 26. Sektion des Deutschen Alpenvereins gegründet. Die Mitglieder setzen sich in erster Linie aus Honoratioren des Marktes und des Bezirkes Miesbach zusammen. Der königliche Bezirksamtmann Ludwig Mayr hat in den Gasthof Wendelstein zur Gründungsversammlung eingeladen und wird auch zum 1. Vorstand gewählt. Es gehören u.a. Bürgermeister Johann Baptist Wallach, Schmiedemeister Josef Uhl, Buchdrucker Georg Mayr und Pfarrer Georg Freytag, alle aus Miesbach, Lehrer Joseph Vogl aus Bayrischzell, Gasthofbesitzer Michael Orterer aus Schliersee sowie Pfarrer Dannerbeck aus Tegernsee zur Sektion (Mitgliederliste von 1878 im Besitz der Sektion Miesbach). Die Alpenvereine sind zur damaligen Zeit sehr konservativ eingestellt und fördern die Erhaltung von Sitte, Brauchtum und Tracht. Im Gasthof Wendelstein proben auch die Schuhplattler der 1859 gegründeten „Gesellschaft Gemüthlichkeit“.
Am 14. August 1881, dem Mariä-Himmelfahrtstag, wird zum ersten Mal ein Holzkreuz auf der Bodenschneid durch den Grießerschmied vom Unteren Markt Sebastian Uhl, dem Spengler Franz Zick, dem Wagner Georg Färber und einem weiteren Miesbacher, dessen Namen nicht mehr bekannt ist, erstellt. Die Witterungseinflüsse setzen jedoch dem hölzernen Kreuz stark zu, so dass ihm um 1893 der Verfall droht.
Einschreibbuch
Die Idee für ein neues Kreuz
„Am Freitag und Feste im Andenken an die Sieben Schmerzen Mariae, glorreichen Mutter unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus, dem alljährlichen Bruderschafts-Feste – … am 24. März 1893, saßen nach dem feierlichen Gottesdienste zwei Männer der Bürgerschaft des Marktes Miesbach im dortigen Postgasthause beisammen und unterhielten ihr Gespräch … über den Gedanken an das anno 1881 am 14ten August … errichtete Holzkreuz auf der schönen und nahen Bodenschneid durch ein mächtigeres Werk aus Eisen zu ersetzen.“
(Seite 1 des „Einschreibe-Buches für die Bodenschneid“. Franz Staudinger, Kreuzträger und Ehrenmitglied des Volkstrachtenvereins, hat im Januar 1896 diesen Bericht verfasst.)
Die zwei o.g. Männer, der Zinngießer- und Glasermeister Andreas Egger und der Schmied Sebastian Uhl fassen den Entschluss, ein neues Kreuz auf der Bodenschneid zu errichten. Uhl ist bereits als 22-jähriger bei der Holzkreuzaufstellung dabei gewesen.
„Der Bodenschneid-Kreuzerrichtungs-Verein“ von 1893
Egger und Uhl sind Mitglieder des Volkstrachtenvereins und gaben bei der nächsten Versammlung des Vereins ihren Plan bekannt. Vorstand Anton Kohlndorfer, Hutmachermeister und später Bankdirektor, erörtert mit den Trachtlern die Kostenfrage. Man rechnet mit 3000 Mark für ein Eisenkreuz. Die Mitglieder des Volkstrachtenvereins schlagen vor, einen eigenen Verein zu gründen. Am 3. Mai 1893 konstituiert sich der „Bodenschneid-Kreuzerrichtungsverein“. Es werden eigene Statuten erstellt, welche „die obrigkeitliche Anerkennung und Genehmigung“ erlangen.
Die Erstellung des Kreuzes
Der Kunstmaler Alois Dirnberger wird beauftragt, einen Entwurf des Kreuzes zu fertigen. Das acht Meter hohe in viele Teile zerlegbare Eisenkreuz schmiedet Schlossermeister Richard Rauch. Den Tuffsteinsockel meißelt der Steinmetzmeister Andreas Haunstetter. Das von sieben Schwertern durchbohrte Herz der Schmerzhaften Muttergottes gießt Zinngießermeister Andreas Egger. Das Herz wiegt zehn Pfund. Die Fassungsarbeiten führt Malermeister Johann Zinder aus. Mit Ausnahme des Christuskörpers fertigen Miesbacher Handwerker die Kreuzteile. Den 75 Kilo schweren und 1,80 Meter hohen Christuskörper kauft man beim Zinngußwerk der Firma Franz Kustermann in München. Mitte Mai 1894 montiert man das Kreuz in Miesbach im Garten des Gasthauses Brückenwirt. Dort steht es bis Pfingsten, dann wird es für den Abtransport abgebrochen.
Kreuzerrichtungsverein
Der Transport auf die Bodenschneid
Nach einem feierlichen Bittgottesdienst um den Transport und die Aufstellung des Kreuzes glücklich zu vollenden, beginnt am Sonntag, 15. Juli 1894 um 13 Uhr der Auszug aus Miesbach. Die Trachtenvereine Miesbach und Pienzenau sowie die sechs Kreuzträger begleiten zwei prächtig geschmückte Wägen mit jeweils vier Pferden bespannt, beladen mit dem Eisenkreuz, dem Sockel und dem Gerüstwerk bis Westenhofen. Am Kirchbichl empfängt der Volkstrachtenverein Schliersee mit einer Musikkapelle den Kreuztransport. Beim Gasthof Killer in Westenhofen zerlegt man Kreuz und Sockel in leichter transportierbare Teile. Von hier bringt nur das Fuhrwerk vom Bauern Schweinsteiger, zum Luttenbacher in Miesbach, unter äußerst schwierigen Wegeverhältnissen die Ladung zur Rettenböckalm. Die Kreuzträger mussten sogar einige Tage den Fahrweg richten, damit er passierbar war.
Bild links: Die Kreuzträger 1894
Die sechs Kreuzträger Johann Trätzl, Hans Stadler, Josef Will, Josef Stadler, Josef Maurer und Franz Staudinger waren Bergleute der Grube Miesbach und mussten für die Zeit des Transports Urlaub beantragen. Neben der Rettenböckalm stand noch eine kleinere Hütte, die den Männern als Unterkunft diente. Dann kam der erste Tag an dem der Transport zum Gipfel begann. Um fünf Uhr früh, nach einem andächtigen „Vater unser“ begann der erste Aufstieg. Die schwersten Teile wogen sechs Zentner, die jeweils vier Mann schleppten. Die schlechten Wegverhältnisse machten oft große Schwierigkeiten. Gegen zwölf Uhr Mittag hatten sie schweißtriefend, aber glücklich den Gipfel erreicht. Nach kurzer Rast stiegen sie wieder zur Rettenböckalm ab. Gegen sechzehn Uhr begann der zweite Aufstieg. Ende der zweiten Woche waren alle Teile auf dem Gipfel und es ging ans Montieren. Die Kreuzträger schwebten beim Transport auf den Gipfel öfters in Lebensgefahr. Die Tragriemen rissen etliche Male, der Weg war schlecht und zwei Männer taten sich hart, nebeneinander mit den Traggestellen und den zentnerschweren Lasten zu gehen. Aber ohne Unfall wird das Werk vollendet. Am Skapuliersonntag, 22. Juli 1894, werden Freudenfeuer mit Anbruch der Nacht auf zwei Höhepunkten der Bodenschneid entzündet. Das Holz dafür liefert u.a. das 1881 erstmals gesetzte und inzwischen niedergelegte Holzkreuz.
Der Sonntag, 12. August 1894 begann regnerisch, mitunter sogar stürmisch. Nachmittags lichtete sich auf einmal der Himmel. Gegen 14 Uhr begann Geistlicher Rat und Dekan Max Stähuber, Pfarrer in Miesbach, die feierliche Einweihung. An der Vorderseite des Steinsockels ist eine Marmortafel mit folgender Inschrift eingelassen:
„Der Herr segne und beschütze unser Bayerland.
Miesbach, im August 1894“.
Das neue Kreuz von 1994
Der Rost hat dem fast einhundertjährigen Bodenschneidkreuz um 1989/1990 so zugesetzt, dass selbst eine umfassende Renovierung nicht mehr genügt, sondern eine Neuerrichtung notwendig ist. Aus diesem Grund soll zur 100. Wiederkehr der Kreuzerrichtung 1994 ein neues Kreuz auf die Bodenschneid gestellt werden. Um die notwendigen Kosten, die von Fachleuten auf rund 40.000 bis 50.000 Mark geschätzt werden, zusammenzubekommen, lässt der Miesbacher Trachtenverein den früheren „Kreuzerrichtungsverein“ wieder aufleben.
Beim historischen Festzug am 20. Juni 1993 zum 75jährigen Stadtjubiläum, wird die Geschichte Miesbachs von den Anfängen bis zur Stadterhebung in lebenden Bildern gezeigt (Vgl. dazu das Buch von Dr. Gerhard Maier, „Miesbachs Geschichte“, hsg. 1993).
Der Trachtenverein zeigt auf einem Festwagen, vierspännig von den Pferden der Marksteinerbauern Martin und Leonhard Rieder, das neue Bodenschneidkreuz. Hans Hagn und Heiner Poensgen haben es nach dem alten Vorbild gefertigt. Frater Stefan Janker aus dem Kloster Andechs, ein gebürtiger Haushamer, ein weiterer Gärtner aus Andechs und der ehemalige Vereinsvorstand Gerd Eichas hatten den Kreuzwagen an zwei Tagen vor dem Festzug in eine blühende Almwiese verwandelt. Zwischen frischen Blumen wie Edelweiß, Enzian und Almenrausch (aus der Gärtnerei) ruhte der gereinigte und wieder instandgesetzte Christus, den die Haushamer Bergwacht im April 1993 mit dem Akja vom Gipfel zum Bodenschneidhaus gebracht hatten. Entsprechend einem Originalfoto von 1894 begleiteten den Wagen sechs Kreuzträger.
Lösung des Christus aus der Verankerung durch Martin Riedl
Transport des Christuskörpers im Akja
Transport des Christuskörpers auf dem Auto
20.06.1993 Festwagen-Bodenschneidkreuz 1894 – beim historischen Festzug zum 75-jährigem Stadtjubiläum
Die Segnung des neuen Kreuzes
Am Pfingstsonntag, 22. Mai 1994, segnen der katholische Pfarrer Nikolaus Dorfner und Günther Wilding für die evangelische Pfarrei unter großer Anteilnahme das mächtige Kreuz. Die Rösser der Marksteinerbauern Rieder ziehen anschließend den Wagen mit dem Kreuz nach Schliersee. Bis zur Krainsberger Alm übernimmt dann ein Lastwagen, von dort sollen Hubschrauber des BGS (Bundesgrenzschutz) das Kreuz auf den Gipfel transportieren. Erst beim dritten Anlauf, am Mittwoch, 22. Juni 1994, herrschen ideale Flugbedingungen. An die 30 Helfer sind auf dem Gipfel. Es gelingt auf Anhieb, die Bodenplatte des Kreuzes mit dem Betonfundament zu verschrauben. Das neue Eisenkreuz wiegt insgesamt 900 kg. Das ganze Kreuz besteht aus einem einzigen zusammenhängenden Stück. Es ist insgesamt 9,30 Meter hoch.
18.09.1994: Benediktion durch Weihbischof Franz Schwarzenböck
Weihbischof Franz Schwarzenböck, ein gebürtiger Miesbacher, erklärte sich bereit, die Benediktion des Kreuzes auf dem Gipfel und anschließend die Bergmesse beim Bodenschneidhaus vorzunehmen. Seine Predigt stand unter dem Motto: „Viele Wege führen zu Gott, einer geht über die Berge“. Die musikalische Umrahmung gestaltete die Miesbacher Stadtkapelle. Für die verstorbenen Mitglieder wurde am Gipfel der Bodenschneid ein Kranz niedergelegt. Mit der „Bayern-Hymne“ schloss die eindrucksvolle Feier, dann trafen sich viele Teilnehmer zum geselligen Beisammensein im Bodenschneidhaus.
Nach Abzahlung der anfallenden Unkosten löste sich der „Bodenschneid-Kreuzerrichtungs-Verein“ auf und übergab die Verantwortung für das Kreuz wieder dem Heimat- und Volkstracht-Erhaltungsverein Miesbach. Gelder die noch vorhanden sind, werden für anfallende Renovierungen und für die jeweiligen Bergmessen verwendet. Es ist darüber getrennt Buch zu führen.
Alle 5 Jahre – gerechnet ab 1994 (100. Wiederkehr der Kreuzerrichtung) – soll am ersten Sonntag im September eine Bergmesse beim Bodenschneidhaus stattfinden. (Vgl. „Das Bodenschneidkreuz“, Dr. Gerhard Maier, 1994)
Für Bergsteiger und Wanderer
Die Bodenschneid ist ein 1.668 m hoher Berg in den Schlierseer Bergen im Mangfallgebirge. Sie erhebt sich zwischen Tegernsee, Schliersee und Spitzingsee und liegt damit im südlichen Landkreis Miesbach genau an der Grenze zwischen den Gemeinden Kreuth im Westen und Schliersee im Osten.
Die Bodenschneid ist ein langgezogener, oben freier Bergrücken mit steilen Abbrüchen nach Norden hin. Nordwestlich des Gipfels setzt ein Bergkamm namens Peißenberg an, der die wenig bekannten Erhebungen Rinnerspitz, Wasserspitz und Rainerkopf trägt.