Die Miesbacher Tracht – Tracht des Jahres 2008

Festtracht der Mannerleut

Die Miesbacher Joppe …

… ist aus hellgrauem bis dunkel-blaugrauem Tuch. Sie ist zweireihig mit echten Hirschhornknöpfen besetzt, hat gerundete Aufschläge, einen grünen Stehkragen, an den Ärmeln einen kleinen grünen Spiegel mit kleineren Hirschhornknöpfen und hat aufgesetzte Taschen. Der Rücken ist glatt und einteilig, ohne Spange. Sie ist vorn im Bereich der zwei Knopfreihen, an den Aufschlägen, Taschen und am Ende der Ärmel mit verschiedenen Mustern abgenäht.
Raimund Jäger, der Bruder von Karl Jäger des Miesbacher Trachtenhauses, war Bildhauer. Er beeinflusste um 1910 die Joppe ganz entscheidend. Er entwarf die zierlichen Steppmuster dafür. Edelweiß und Eichenlaub, sogar Frauenmantelsteppereien lösen die zum Teil plumpen Verzierungen ab. Auch wurden die Joppen kürzer, damit die Lederhosenstickereien besser zur Geltung kamen.

Die kurze Lederhose 

… ist schwarz, abgesehen von Abnutzungserscheinungen. Hat einen angesetzten Hosenlatz – das „Hosentürl“. Sie ist mit Plattstich gelblich-grün bis dunkelgrün gestickt. Seitlich ist sie mit Wollbändern in der Farbe der Stickerei gebunden. Mit diesen Bändern wurden früher in der kalten Jahreszeit die Strümpfe (Schneestrümpfe) befestigt. (Bild: Kiem Pauli und Franz von Bayern, Bad Kreuth, 1938; aus „Das Volkslied in Altbayern“, ein Geburtstagsbuch für den Kiem Pauli, herausgegeben von Annette Thoma 1952.)
Die Hose hat vorn seitlich zwei Hosentaschen und auf der rechten Seite ein Messertaschl. Die ledernen Hosenträger mit einem Quersteg über der Brust werden auf dem Rücken gekreuzt. Der Quersteg weist mancherlei Auszier auf, wird bunt bestickt oder in Federkielstickerei mit Wappen, Anfangsbuchstaben vom Namen oder Vereinsnamen o.ä. getragen. Die Lederhose reicht um 1900 noch gut bis zum Knie. Slawische Bergleute in den Gruben Miesbach und Hausham, die zu den Trachtenvereinen kamen, wünschten farbige, reiche Stickerei, bunt, wie die slawischen Volkstrachten. So wurde aus der einfachen, recht geringen Stickerei vereinzelt eine bunte und farbenfrohe Ausstickung der Lederhose, die sich bis nach dem 2. Weltkrieg hielt.

Aus Leinen ist das weiße Hemd,

… das auf der Brust mehrere Biesen (Falten) aufweist. Beim Kettlhemd ist der Kragen vorne ein Stück auseinander. In die an beiden Seiten vorhandenen Knopflöcher wird ein Silberkettl mit Silberknöpfen eingeknöpft, über das das Bindl (Krawatte) geführt wird. Hat das Hemd einen gewöhnlichen Kragen, wird das Bindl an einem quergeführten Band befestigt. Das einfarbige, in verschiedenen Schattierungen blaue Bindl besteht aus Seide oder ist wie bereits um 1900 aus Perlgarn gehäkelt. Entweder wird es mit einem silbernen „Schuber“ oder einem aus Hirschhorn oder mit einer silbernen Brosche zusammengehalten. Die Seidenbänder werden gelegentlich auch nur mit einem einfachen losen Knoten um das Kettl bzw. Band geschlungen.
Überm Hemd wird ein grünes, rot eingefasstes Gilet (Weste) getragen. Es wird mit einer Reihe von Silberknöpfen geschlossen und hat einen wappenförmigen Brustausschnitt, der mit einem zweigängigen, mit zwei Silberknöpfen gehaltenem Kettl überbrückt wird. Meistens wird in das Gilet eine Taschenuhr an einer silbernen Uhrkette, oft mit einigen Talern, Münzen oder sonstiger Zier eingehängt.
Der Scheibling (Miesbacher Hut) ist die Kopfbedeckung. Es ist ein samtiger Haarfilzhut mit Kordel um den „Gupf“. Als Hutschmuck werden Spielhahnfedern (Schneidhackel) aufgesteckt. Aus grauer Wolle in verschiedenen Mustern sind die Kniestrümpfe gestrickt. Für die Umschläge werden für die Strickreihen grüne und graue Wolle verwendet. Zusätzlich wird oft von der Ferse über die Wade bis zum Umschlag ein Rankenbaum gestickt. Der Miesbacher Halbschuh (Banzä) ist aus schwarzem Leder, der Absatz geschwungen, etwas höher und die Nähte ausgezackelt. Im unteren Teil ist der Schuh geschnürt, im oberen mit Haken versehen. Er wird mit einem Lederband geschlossen. Die Buben tragen die gleiche Ausstattung wie die Männer, nur sind bei ihnen auch Haferlschuhe genehmigt. Die Halbtracht: Bei Vereinsjahrtagen, Beerdigungen und Primizen ziehen die Männer statt der Kurzen eine lange schwarze Hose, eine Stresemann oder „Vüarigschniene“, eine an den Beinen nach unten weiter geschnittene Hose, wie vor etwa 100 Jahren, an. Am Ende des 19. Jahrhunderts war es auf dem Land üblich, sich zur Hochzeit zu kleiden, wie es in der Stadt bei offiziellen Anlässen üblich war. Zur langen schwarzen Hose wird eine schwarze Weste, eine schwarze Joppe im Miesbacher Stil und ein schwarzer Hut mit breiter Krempe getragen. Der Hochzeiter im Bauerngwand passt auch heute noch besonders gut zu seiner Braut im Schalk. Das Bauerngwand passt aber auch zu besonders festlichen privaten Feiern wie Firmung, Jubiläen usw.

Die Tracht der Weiberleut

Bei der einfachen Tanztracht tragen die Madl zum Rock (Bollenkittl) aus handgewebtem Wollstoff in den Farben des Vereins, einen weinroten Spenzer mit Schößl. Dazu gehört eine weiße Schürze mit Spitzeneinsatz, weiße Strümpfe, der Miesbacher Halbschuh und das Miesbacher Hütl mit einem kleinen Gamsbart und Blume. Und selbstverständlich ein leinener Unterkittl mit Spitzenrand und Spitzeneinsätzen. Der Schmuck ist eine mehrreihige silberne Halskette, silberne Ohrringe und silberne krause Nadeln, welche die aufgesteckten Haare halten.

Die kleinen Madl tragen ein Leibl-Gwand mit weinrotem Oberteil und dem Kittl aus dem vereinsfarbenen Wollstoff. Ein weißes Bluserl unterm Leibl, weißes Schürzerl und Strümpf, das Miesbacher Hütl mit kleinem Gamsbart und schwarze Schuhe ergänzen das Gwand.

Das Mieder – festliche Tracht

Das Miedergwand mit der Weißwasch oder mit dem seidenen Zeug ist die festliche Tanztracht. Es besteht aus dem Kittl und dem Janker aus einem einfarbigen, weinroten Wollstoff. Beim Zusammenschluss der Miesbacher Trachtenvereine wurde das rote Miedergwand von den Niederwaldeckern übernommen, bis dahin war die Farbe vom Stammverein blau (das Bindl der Männer ist blau geblieben). Die Jankerärmel sind eng und am Oberarm gereiht. Vorne sind die Ärmel geschlitzt und zum Knöpfen und mit einer feinen weißen Spitze eingefasst. In Falten ist der Kittl gelegt und reicht bis zum Knöchel.

Unterm Janker befindet sich das Schmiesl, ein Vorhemd, das am Hals rechteckig ausgeschnitten ist und mit Spitzen besetzt ist. Überm Janker wird ein in verschiedenen Mustern abgestepptes, verstärktes, schwarzes Miederleibl angezogen, das vorn mit einem silbernen Gschnür (Kette) und aufs Mieder genähten silbernen Haken verschlossen wird. Mit silbernen Eichennadeln wird am oberen Rand vom Mieder in einer Art Girlande die Kette aufgehängt. Dann über die Schultern um die Eichennadeln gezogen, mit denen das quadratische, auf ein Dreick zusmmengelegte und an der Längsseite in ein paar Falten gelegte Miedertüchl festgesteckt wird. An den unteren Gängen der Kette werden gefasste Taler oder andere silberne Zierstücke aufgehängt und das Ende der Gschnürkette mit einem Gschnürstecker in die Verschnürung gesteckt. Das hinten überhängende Dreieck des Miedertüchels wird am Leibl mit einer Eichennadel befestigt, die freien Enden vorn werden in das Miederleibl gesteckt. Mit Blumen wird das Leibl vorne am Ausschnitt seit der Jahrhundertwende (1900) verziert. Der leinene Unterkittl, die weißen gestrickten Strümpfe und die Miesbacher Halbschuhe gehören selbstverständlich zur Ausstattung. Bei der Weißwasch ist das Miedertüchl und das Fürta (Schürze) aus weißem Leinen mit Spitzen, dazu wird der Miesbacher Hut mit kleinem Gamsbart getragen. Bei besonders festlichen Anlässen sind das Miedertüchl und das Fürta aus Seide, dazu gehört der Schnurhut.

Der Schnurhut …

… ist ein schwarzer, steifer Filzhut, der innen und auf der Unterseite der Krempe gefüttert ist. Um den Gupf ist eine silberne oder goldene Hutschnur in vielen Lagen gewickelt und festgenäht. An den Enden angebrachten Quasten hängen nach hinten über den Hutrand herab. Zwischen die beiden Quasten wird eine Blume gesteckt.

An besonders hohen Festen wie Fronleichnam und Hochzeiten tragen die Dirndl das Kleid ganz aus verschiedenfarbiger Seide. Dazu wird kein Hut getragen, sondern ein Kranzl aus feinen Blüten und Grün wie Myrte.

Eine mehrgängige Halskette, eine einfache Kette mit einem Kreuz, Ohrringe und eine Schmieslbrosche sind der dazugehörige Schmuck. Mit Krausnadeln (Filigrannadeln) wird das zu einem Schopf oder Zopf geformten Haar festgesteckt.

Der Schalk, …

… das Hochzeitsgewand der Frauen, ist ein hochfestliches, seidenes Gewand. Er besteht aus dem Schalkjanker (oder nur Schalk) und dem Kittl (Rock), der in Falten gelegt und sehr weit gearbeitet ist. Der Schalk ist am Hals- und Rückenausschnitt mit Rüschen und Spitzen reich verziert. Am Oberarm sind die engen Ärmel gereiht, am Handgelenk ist er geschlitzt, mit einer feinen weißen Spitze besetzt und mit kleinen Perlmuttknöpfen zu knöpfen. Das Rückenschößl ist ein Bausch aus Seide und Spitzen, die Seitenschößl sind in viele Falten gelegt, am freien Ende mit Spitzen besetzt und nach oben geklappt. Der Schalk wird vorne mit Krausnadeln zugesteckt.

Unterm Schalkjanker wird wie beim Mieder auch ein Schmiesl und ein Unterkittl getragen. In den weit ausgeschnittenen Schalk wird ein seidenes, in viele Falten gelegtes Schalktüchl mit einem mit Spitzen eingefassten Untertüchl aus Leinen geheftet. Mit Krausnadeln wird das Schalktüchl hinten und vorne links und rechts am Schmiesl festgehalten. Das Fürta ist etwas kürzer als der Kittl und aus der gleichen Seide und Farbe wie das Schalktüchl.

Zum Schalk wird der Schnurhut aufgesetzt. Nur bei der Hochzeit trägt die Braut ein Kranzl wie beim Mieder mit dem seidenen Zeug.

Eine goldene Schalkkette an der eine kleine Uhr hängen kann, wird über die Garnier und Rüschenverzierung am Schalkjanker über die Schultern gelegt und in den Brustausschnitt gesteckt. Eine mehrgängige Halskette (Kropfkette), ein Ketterl mit Kreuz und eine Schmieselbrosche gehören als Schmuck zum Schalk. Die zum Schopf geformte Frisur wird mit Krausnadeln festgesteckt.

Zum Schalk werden schwarze Strümpfe und der Miesbacher Halbschuh getragen.

Vor der Jahrhundertwende (1900) war der Schalk ein reines Festtagsgewand. Bis dahin wurde der Schalk in verschiedenen Farben genäht. Nach 1900 setzte sich die schwarze Seide durch. Erst nach dem 1. Weltkrieg wurde der Schalk auch bei Vereinsfesten getragen. Zum ersten Mal erwähnten die „D’Neureuther“ Gmund bei der Einladung zum Jahresgedächtnis für gefallene und verstorbene Mitglieder am Sonntag, 14. Mai 1922 den Schalk: Zum Gottesdienst sollen weibliche Mitglieder im Schalk mit schwarzer Schürze erscheinen.

Als sich der Miesbacher Verein nach der Zusammenlegung der beiden Trachtenvereine „Stamm“ und „Niederwaldeck“ 1935 fotografieren lässt, sind bereits sechs Schalkweiber neben 21 Frauen und Mädchen im Mieder auf dem 110-köpfigen Vereinsfoto zu sehen.

Beim Gaufest 2004 trug eine unserer Frauen zum ersten Mal wieder einen farbigen Schalk. Genäht hat ihn Leni Tradler aus Miesbach. Immer mehr Trachtlerinnen vom Verein lassen sich jetzt das kostbare Stück aus farbiger Seide schneidern, was zu einem besonders fröhlichen Bild bei Veranstaltungen und Festen beiträgt.

Das Kirchagwand

Wenn ein Schalk genäht wird, wird oft zusätzlich aus dem gleichen Stoff ein Spenzer genäht, der zum Schalkkittel angezogen werden kann. Aber auch sonstige dunkelfarbige Seiden- und Wollstoffe werden verwendet. Der Kittl ist auch beim Kirchagwand knöchellang. Der Halsausschnitt ist nicht sehr weit, er kann auch hochgeschlossen mit einem Stehkragen sein. Die Rückennähte laufen vom Ärmelansatz zur Mitte nach unten. Die in der Taille am Spenserrand angesetzten Schößl überdecken den Kittlbund. Die engen Ärmel sind am Handgelenk geschlitzt, mit einer weißen Spitze einfasst und werden mit kleinen weißen Perlmuttknöpfen geschlossen.

Das Fürta (Schürze) ist meistens aus Seide. Zum Kirchagwand wird ein einfacher schwarzer Hut aufgesetzt. Der Kirchahuat ist gewöhnlich aus versteiftem Filz und ist innen gefüttert. Manchmal wird auch ein schwarzer Samthut getragen. Bei besonderen Anlässen kann auch der Schnurhut aufgesetzt werden. Schwarze Strümpfe und der Miesbacher Halbschuh sind selbstverständlich. Die Haare werden mit Krausnadeln aufgesteckt. Zum ausgeschnittenen Kirchagwand legt man eine Kropfkette an, beim Kraglspenser wird eine lange Kette mit einem Vorhängekreuz umgehängt.

Seit einigen Jahren wird bei den Frauen das Kirchagwand immer beliebter. Bei Beerdigungen und besonderem Kirchgang ist es schneller angezogen als der Schalk – und trotzdem ein festliches Kleid.

 

 

Vergl.: Trachten in Bayern, Heft 1/Miesbach, Bayer. Landesverein für Heimatpflege, München 1981

Miesbach – Wiege der Trachtenbewegung, Dr. Gerhard Maier

100 Jahre Trachtenverein Miesbach, Dr. Gerhard Maier

Merkur Nr. 243 vom 22.10.2007